Beteiligt euch – Sommerfestival

Wie kann man jungen Menschen Themen wie Demokratiebildung, Nachhaltigkeit, Engagement und Diversität näher bringen? Was braucht es, damit sich Kinder und Jugendliche für Politik begeistern und sich eine eigene Meinung bilden können? Diese und weitere Fragen hat sich das Projektteam von „Beteiligt EUCH!“ gestellt.

Text und Fotos: Rosa Röhm

Das jugendliche Team hinter dem Sommerfestival hat drei Projekttage auf die Beine gestellt, in denen die Themen Jugendbeteiligung, Klimaschutz, politische Bildung und Diskriminierung im Fokus stehen sollten. Das Vorhaben wurde von der Berliner Jugendjury gefördert.

Wir vom Jugend-Demokratiefonds waren natürlich sehr gespannt, was dort alles auf uns wartet und welche Erfahrungswerte uns das Projektteam mitgeben kann. Am Samstag, dem 11. September, fanden bereits Workshops statt, bei denen junge Menschen aktiv Wissen zu unterschiedlichen Themen sammeln und sich gemeinsam austauschen konnten. Sonntag standen vor allem politische Podiumsdiskussionen auf dem Programm – unter anderem mit der politischen Prominenz Gregor Gysis, Direktkandidat für Treptow-Köpenick der LINKEN-Partei. Trotzdem war es im FEZ ungewöhnlich leer. „Das war gestern leider auch schon so“, meinte Leonie, eine der Projektinitiatorinnen. „Interessanterweise waren Freitag an die hundert Menschen da – wahrscheinlich, weil dies der Projekttag für die Schulklassen war. Da war es viel einfacher, zu koordinieren, wer vorbei kommt.“ Im Gegensatz dazu war das Workshop-Programm leider etwas spärlich besucht. Die Herausforderung hat das Projektteam gut gemeistert, da sie einfach alle Programmpunkte zusammengezogen und auf eine gemeinsame Bühne verlegt haben.

Trotz der wenigen Gäste war die Stimmung am Sonntag sehr gespannt. Die erste Podiumsdiskussion begann und die Gäste stellten sich vor. Neben Dr. Gregor Gysi von den LINKEN saß Annka Esser, Spitzenkandidatin der GRÜNEN JUGEND Berlin für die Bundestagswahl 2021, Ana-Maria Trăsnea, Direktkandidatin der SPD für Treptow-Köpenick und ein ehemaliges BVV-Mitglied, welches der CDU zugehörig war, auf der Podiumsbühne. Zu dem Thema „Wählen unter 18 Jahren“ kamen spannende Beiträge zusammen.

Direkt am Anfang wurde das junge Publikum gefragt, wer sich von der Politik gesehen fühle. Nur eine Hand erhob sich. Das gibt zu denken. Gregor Gysi betonte mehrmals, wie erschreckend die hohe Nichtwähler:innenquote derzeit in Deutschland sei. Die Beteiligung junger Menschen ab 16 Jahren würde auch eine Ermächtigung dieser in der Politik bedeuten. Wer überhaupt die Möglichkeit hat, sich an demokratischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, wird auch viel eher die Beteiligungsmöglichkeiten selbst wahrnehmen und sein Interesse an politischer Bildung steigern. In diesem Kontext lässt sich auch auf die Relevanz der U-18 Wahlen verweisen, die im September diesen Jahres stattfanden. Überzeugend artikulierten die Politiker:innen Gründe dafür, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken. Auch hatte das Publikum die Möglichkeit, selbst Fragen zu stellen. Doch viel Raum und Zeit gab es dafür am Ende leider nicht. Das war etwas schade – vier Politiker:innen sprechen über Jugendbeteiligung, vor sich eine Menge junger, interessierter Menschen. Und doch lag der Redeanteil ganz klar auf dem Podium. Trotzdem war die Diskussion ein voller Erfolg und sehr inspirierend. Der Relevanz der Thematik wurde mit Enthusiasmus und Schlagfertigkeit auf jeden Fall gerecht.

In der nächsten Diskussion lief es gesprächiger ab: Zu dem Thema „Das System ist das Problem – Das Schulsystem“ wurden viele kritische Stimmen laut. Zu Gast waren Astrid-Sabine Busse (Interessensvertreterin der Berliner Lehrerschaft), Norman Heise (Vorsitzender des Landeselternausschusses Berlin) und Louis Krüger (Projektleiter des „Schüler:innenHaushalt“ Berlin). Die Mehrheit des Publikums fühlt sich durch das aktuelle Schulsystem nicht auf die Zukunft im „richtigen“ Leben vorbereitet. Es wurde darüber diskutiert, dass eine engere Zusammenarbeit von Verbänden, Vereinen und der Schule in dieser Hinsicht sinnvoll sei, da der Verweis auf die Eltern nicht ausreicht. Insbesondere in einer Willkommensgesellschaft und einer Gesellschaft mit einer hohen sozialen Ungleichheit müssen alle Kinder und Jugendliche vom Bildungssystem abgeholt werden. Es wurden auch Fragen darüber gestellt, wer eigentlich über den Rahmenlehrplan entscheidet, ob die Coronakrise auch als Chance für mehr Digitalisierung im Bildungssystem verstanden wird und warum man sich für ein Lehramtsstudium entscheiden sollte.

Danach traf ich erneut auf Leonie. Nachdem wir gemeinsam eine kleine Weile weiterdiskutiert hatten, fragte ich sie, was sie aus dem Projekt für einen Erfahrungswert gezogen hat. Was besonders bei dem Sommerfestival deutlich wurde, sei, dass die freiwillige Beteiligung ja eben doch nicht so wunderbar laufe, wie sich das alle vorgestellt hätten. Sonst wäre der Schulprojekttag nicht so gut und die Wochenendprojekttage verhältnismäßig weniger gut besucht worden. „Es gibt so viele Beteiligungsmöglichkeiten – aber in der Realität ist das immer noch verdammt schwierig, junge Menschen wirklich zu erreichen.“ Auch wäre ein anderer Ort vielleicht sinnvoll gewesen – das FEZ wird assoziativ tatsächlich viel eher mit jüngeren Kindern und Kleinkindern verbunden, statt mit Jugend-Politiktalks. Auch Jeremy und Florian, zwei weitere Projektkoordinatoren, fanden, dass beim nächsten Mal deutlich mehr Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden müsste. Sie sahen ein bisschen geknickt aus. Doch da meldete sich Moana von jup!Berlin zu Wort, die mit mir gemeinsam unterwegs war: „Ihr habt riesen Respekt dafür verdient, was ihr hier auf die Beine gestellt habt.“

Für die Beteiligung junger Menschen am gesellschaftlichen und politischen Prozess braucht es also auch weiterhin viele Anreize, Angebote und Möglichkeiten. Das die Jugend politisch ist, ist spätestens seit Fridays for Future unbestritten. Große Teile junger Menschen fühlen sich jedoch nicht von der Politik gehört, und auch das kann zu mangelnder Motivation und Politikverdrossenheit führen. Die Gesellschaft beispielsweise durch Wahlen mitgestalten zu können, würde an dieser Stelle – so die Resonanz im Publikum – auf jeden Fall ein Empowerment für die Beteiligten darstellen.